In vielen Regionen Indiens gelten Frauen auch im 21. Jahrhundert als Eigentum ihres Vaters, dem sie absoluten Gehorsam schulden. Mädchen werden vor allem in armen Familien als Belastung angesehen, da man davon ausgeht, dass sie im Gegensatz zu ihren Brüdern nichts zum Familieneinkommen beitragen werden. Nicht selten bekommen Frauen und Mädchen nur jenes Essen, das ihnen die Männer übrig lassen. Bildung und Ausbildung ist für viele Mädchen unerreichbar.
Diese Tatsachen kontrastieren mit den Bedürfnissen der betroffenen Frauen nach eigenen Verdienstmöglichkeiten, um zum Unterhalt ihre Familien beizutragen.
Das Berufsbildungszentrum Kamalini verfolgen das Ziel, Frauen aus armen Verhältnissen eine job-orientierte Ausbildung zu vermitteln. Zu diesem Zweck mieteten sie 2007 im Süden der Metropole Neu-Delhi bescheidene Räume, in denen Frauen und Mädchen eine schulische Grundausbildung und berufliche Qualifikationen in Textilverarbeitung, Schönheitspflege, Computer-Anwendung und Nahrungsmittelproduktion erwerben können. Diese Ausbildungsschwerpunkte werden ergänzt durch Sprachkurse in Englisch, Vorbereitungen auf den Arbeitsmarkt und Persönlichkeitsbildung.
In Delhi wurden die Räumlichkeiten bald zu klein. 2013 plante Kamalini den Bau eines eigenen Zentrums. Ende 2016 war das Gebäude fertiggestellt und installiert. Die Limmat Stiftung hat sich an den Kosten der Einrichtung der Werkstätten beteiligt und kofinanziert zudem ein drei Jahre dauerndes Ausbildungsprogramm für 600 Frauen.
Die potenziellen Studentinnen sind hier noch viel stärker von patriarchalischen Vorstellungen geprägt als im urbanen Umfeld. Beispielsweise dürfen sich Frauen nur für eine Ausbildung einschreiben, wenn ihr Vater oder Ehemann damit einverstanden sind. Misstrauen und Ängste vor Gefahren ausserhalb der Aufsicht von männlichen Verwandten liessen viele junge Frauen zögern, eine Ausbildung zu beginnen.
Anfang 2018 besuchte der Projektleiter der Limmat Stiftung den neuen Kamalini-Campus, um die neuen Aufgaben mit der Schulleitung zu lösen. Vereinbart wurde, dass
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mit den Familien und lokalen Autoritäten enger zusammengearbeitet werden muss, um Vorurteile abzubauen,
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ein Schulbus die Sicherheit auf dem Heim- und Schulweg garantiert,
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der Einstieg für Schülerinnen mit einem tiefen Bildungsniveau vereinfacht wird,
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Defizite mit geeigneten Programmen ausgeglichen werden sollen und
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die Kooperationen mit lokalen Betrieben die Arbeitsmarktchancen für die Absolventinnen konkretisieren sollen.
Auch der Zusammenschluss der Absolventinnen in Kooperativen wird geplant. Geeignete Frauen werden von Kamalini in unternehmerischen Strategien geschult.
Anfängliches Misstrauen potenzieller Schülerinnen und ihrer Familien konnte dank intensiven Werbemassnahmen und vertrauensbildenden Aktionen überwunden werden. Dazu gehören eine Gesundheitsberatung in den Dörfern, eine Tür-zu-Tür-Propaganda, das Angebot, die jungen Frauen mit einem Schulbus von zu Hause abzuholen, und die Möglichkeit, lernend etwas Geld zu verdienen. Für einige der von Schülerinnen hergestellten Produkte wie Kleider und Taschen hat Kamalini Abnehmer gefunden. So lernen die Studentinnen nicht nur Textilien zu verarbeiten, sie werden auch in den Verkauf der Produkte involviert und lernen unternehmerisches Handeln und Planen. 160 junge Frauen absolvierten 2019 eine joborientierte Ausbildung in Modedesign/Textilverarbeitung; Schönheitspflege/Coiffure; Computer-Anwendung und Englisch.
Mittlerweile gilt Kamalini bei den Familien der Schülerinnen als sicherer Ort für junge Frauen. Die Kurse waren 2019 gut belegt.
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