Das Instituto Superior de Ciencias Sociales y Económico Familiares (ICSEF) hat den Status einer anerkannten Fachhochschule. Die Lehranstalt für Hotellerie und Gastronomie bildet seit 50 Jahren junge Frauen aus armen Verhältnissen aus. Das Curriculum entsprach dem landesüblichen Aufbau, nach dem erst die theoretischen Kenntnisse vermittelt werden und zum Schluss des Lehrgangs eine praktische Anwendung folgt. Die Erfahrung zeigt aber, dass Praktikantinnen die gelernte Theorie dann kaum noch präsent haben.
Um das Ausbildungsangebot zu verbessern und die etwas abseits liegende Schule attraktiver zu machen, reorganisiert das ICSEF die Ausbildung nach dem Grundsatz «Lernen durch Machen». Das Know-how für diesen Turnaround holten sich die Verantwortlichen von ICSEF bei der Limmat Stiftung und dem Zürcher Kompetenzzentrum Desk Hospitality. 2019 entwickelten die drei Partner zusammen das Projekt Terranova. Zentraler Punkt dieser Neuausrichtung ist die Einführung des dualen Bildungssystems, das in den deutschsprachigen Ländern der Lehrlingsausbildung zugrunde liegt. Die Lehrzeit ist darin alternierend aufgeteilt zwischen theoretischem Lernen in einer Berufsschule und teilzeitlicher Arbeit in einem Betrieb, wo die Jugendlichen zeitnah ihr Wissen in Praxiserfahrungen in der realen Arbeitswelt integrieren und Routine und Handlungskompetenz aufbauen.
Dieses Berufsbildungsmodell ist in Kolumbien neu. Es gibt kaum Unternehmen, die die Kompetenz und die Kapazität haben, Lehrlinge auszubilden. Die Limmat Stiftung und das Management von ICSEF mussten eine neue Unterrichtsstruktur aufbauen, die den alten Gegebenheiten und der Neuausrichtung Rechnung trägt. Jedes Semester ist nun aufgeteilt: Einem theoretischen Blockkurs mit Schwerpunktfächern folgt ein Praktikum im Tageszentrum Torreblanca, das in der Nähe der Schule liegt.
Weitere Praktikumserfahrung sammeln die Schülerinnen in einer schulinternen Produktionsstätte, wo Erzeugnisse aus der Region zu Convenience-food-Produkten verarbeitet werden. Fruchtkonfitüren, Saucen, Naturkosmetika usw. werden wie in jeder anderen Nahrungsmittel verarbeitenden Firma über Läden oder direkt an Konsumenten verkauft. Die dort kreierten Marken wurden bei der Industrie- und Handelskammer eingetragen.
Die Vorbereitungsphase und die Einführung des neuen Systems wurden von einer Expertin von Desk Hospitality vor Ort begleitet. Das Consulting bestand vor allem darin, das alte Curriculum umzubauen und die didaktischen und methodischen Gepflogenheiten der Lehrerschaft an das duale System anzupassen. Früher erledigten die Praxislehrerinnen die Arbeit mehrheitlich selbst, und die Lernenden waren Befehle empfangende Hilfskräfte. Nach dem neuen Curriculum bringen die Jugendlichen nun schon Fachkenntnisse mit und sind in der Lage, Arbeiten selbständiger auszuführen. Die Lehrmeisterinnen haben neu eher die Rolle von Coaches, die die Lernenden begleiten und nur eingreifen, wenn es nötig ist.
Auch die fachlichen Inhalte der verschiedenen Fächer wie zum Beispiel Englisch, Ökologie, Ernährungslehre, Buchhaltung und Organisation mussten überarbeitet, ergänzt und aktualisiert werden. Geeignete Software wurde gekauft, und die dafür nötigen Schulungen wurden durchgeführt. Im Juli 2019 startete der erste Jahrgang von Schülerinnen, die im Dualsystem ausgebildet werden.
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