Ein Drittel der kolumbianischen Schüler verlassen das Schulsystem frühzeitig. Diese Dropouts geraten leicht auf die schiefe Bahn, geraten ins Geflecht organisierter Jugendbanden, begehen erst kleinere, dann grössere Delikte, betätigen sich als Kleindealer (microtráfico), und einige gleiten ab ins Drogenelend. Als Heranwachsende werden sie krank, sind arbeitsunfähig und nicht in der Lage, für sich selbst oder gar für eine Familie zu sorgen. Die Sozialkosten solcher Negativlaufbahnen sind enorm.
Die kolumbianische Regierung steht dieser Problematik eher ratlos gegenüber. Einige private Organisationen versuchen, gefährdete Primarschüler mit der Abgabe von Lebensmitteln in die Schulen zu locken – ohne Erfolg.
Eine nachweislich erfolgreiche Lösung bietet das Programm Iwoka. Verglichen mit den Folgekosten eines Schulabbruchs, ist der Aufwand dieses Präventivprogramms gering. Für jährlich nur 160 Franken werden gefährdete Schüler während dreier Jahre gezielt gefördert.
Das Projekt setzt auf zwei Ebenen an: An einer Schule werden geeignete Freiwillige aus der 9. und 10. Klasse (15 bis 16 Jahre alt) ausgewählt und in einem zweimonatigen Intensivtraining sorgfältig auf ihre spätere Rolle als Coachs vorbereitet. Diese Oberstufenschüler betreuen danach an ihrer eigenen Schule je 4 bis 5 Kinder aus den Primarschulklassen. Wie Paten oder ältere Geschwister helfen die Jugendlichen den Jüngeren bei Hausaufgaben, besprechen bzw. begleiten sie bei familiären Problemen und schützen sie auf dem Pausenplatz vor den Rohheiten und dem Mobbing seitens von Mitschülern. Sie lehren die Jüngeren konstruktive Verhaltensregeln wie Respekt, Zuverlässigkeit, Ordnung und Freundschaft.
Diese Methode hat nicht nur nachweislich viele Schulabbrüche verhindert, sie hat sich auch positiv auf die kognitive und menschliche Entwicklung der jüngeren Kinder ausgewirkt. Im Zeitraum von 2014 bis 2016 wurden die Veränderungen gemessen. So verbesserte sich die kognitive Entwicklung um rund 15 Prozent gegenüber der Kontrollgruppe. Dies steht im Einklang mit den Aussagen von Lehrern, die bei ihren Schülern mehr Engagement und eine Steigerung der Eigenverantwortung beim Lernen feststellten. Auch die Eltern bestätigten, dass ihre Kinder dank dem Programm Iwoka weniger gewalttätig sind und sie sich sowohl zu Hause als auch in der Schule besser benehmen.
2017 übernahmen acht Schulen der Stadt Pereira das Programm Iwoka. 255 Jugendliche und 855 Kinder nehmen am Programm teil. Für diesen Transfer der Methode wurden 2017 auch Handbücher zur Projektmethode, zur Ausbildung und Qualitätskontrolle erarbeitet und urheberrechtlich geschützt. In den nächsten Jahren soll diese erfolgreiche und erprobte Methode auch in weiteren Städten des Landes angewandt werden.
2019 legte Iwoka den Schwerpunkt auf die Jugendlichen. Denn auch sie haben spezifische Probleme, die gelöst werden müssen, damit sie sich engagieren. Die Oberstufenschüler erhalten eine Berufsorientierung. Sie können dank einem neu aufgebauten Netz von Firmen Schnuppertage in Betrieben absolvieren und werden beraten bei Bewerbungen.
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